News | 10. Mai 2023 | Marthe Eisner

Die Rote Liste der Süßwasserfische – eine wertvolle Ressource

Die biologische Vielfalt ist ein entscheidender Aspekt unserer natürlichen Welt, und die Überwachung des Zustands der Arten ist für die Erhaltungsbemühungen unerlässlich. Ein wichtiges Instrument hierfür ist die Rote Liste, die den Erhaltungszustand von Arten anhand wissenschaftlicher Kriterien bewertet. In Deutschland ist die Rote Liste der Süßwasserfische und -neunaugen eine wichtige Ressource, die regelmäßig aktualisiert und für Schutz- und Forschungszwecke genutzt wird. In ihrem Impulsvortrag auf der NFDI4Biodiversity All Hands Conference, die vom 12.-14. Oktober 2022 in Berlin stattfand, sprechen Jörg Freyhof vom Museum für Naturkunde Berlin und Martin Friedrichs-Manthey, Koordinator für NFDI4Biodiversity, darüber, wie die Rote Liste der Fische erstellt wird, mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert ist und welche Möglichkeiten die Verknüpfung mit der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI4Biodiversity) für die Biodiversitätsforschung bietet.

Wie wird die Rote Liste erstellt?

Die Rote Liste der Süßwasserfische und -neunaugen Deutschlands wurde erstmals in den 1970er Jahren zusammengetragen. Genutzt wurden dafür vor allem Gefährdungskriterien, die sich auf Zustandsbeschreibungen stützen. Vernachlässigt wurden dabei langfristige Entwicklungen. Heute fragen die Einstufungskriterien konkret nach drei Datensätzen für jede Art – egal, ob es sich um Pflanze, Vogel oder Fisch handelt:

  • Aktuelle Bestandssituation (Wie ist eine Art verbreitet und wie häufig ist sie?)
  • Langfristiger Bestandstrend (Wie hat sich der Bestand in den letzten 100 bis 150 Jahren verändert?)
  • Kurzfristiger Trend (Wie haben sich die Populationen in den letzten 10 bis maximal 15 Jahren verändert?)

Im Rahmen des Bewertungsprozesses werden Daten aus verschiedenen Quellen gesammelt. Da die Fischerei – ebenso wie der Naturschutz – Ländersache ist, sollen organisierte Abfragungen mittels Expert:innenworkshops in den Bundesländern Aufschluss über die drei relevanten Datensätze geben. Um das Biasrisiko innerhalb dieser Expert:innenbefragungen für den kurzzeitigen Bestandstrend auszugleichen, wurden erstmals standardisierte Fischdaten des regelmäßigen Monitorings von Fischen aus den Bundesländern zusammengetragen. Die Daten werden analysiert und die Arten je nach ihrem Erhaltungszustand in verschiedene Kategorien der Roten Liste eingeteilt, die von “ungefährdet” bis “ausgestorben” reichen.

Herausforderungen bei der Zusammenstellung der Roten Liste

Eine der Herausforderungen bei der Erstellung der Roten Liste der Süßwasserfische und -neunaugen in Deutschland ist die Heterogenität der Daten aus den verschiedenen Bundesländern. Die Interpretation und Integration von Daten aus verschiedenen Quellen kann aufgrund von Unterschieden in der Datenqualität, der Verfügbarkeit und der verwendeten Methodik komplex sein. So liegen die Monitoringdaten der Bundesländer zwar bereits seit 2004 im Rahmen der Gewässerzustandsüberwachung vor, müssen aber, um auf Bundesebene für die Rote Liste zusammen ausgewertet werden zu können, in einem aufwändigen Prozess zunächst akquiriert und dann harmonisiert werden. Dies beinhaltet:

  • Taxonomische Harmonisierung: Deutsche/lat. Namen, alte/neue Namen, Suche nach offensichtlichen Fehlbestimmungen
  • Berechnung der Fischzahlen auf 100 Metern Strecke
  • Harmonisierung der Koordinaten

Die Bedeutung der Roten Liste für Forschung und Naturschutz

Die Rote Liste der Fische ist von immenser Bedeutung für die Forschung und den Naturschutz. Sie bietet einen umfassenden Überblick über den Zustand der Süßwasserfische und -neunaugen in Deutschland und ist damit ein wertvolles Instrument zur Identifizierung von Wissenslücken. Die Datengrundlage ermöglicht es Forschenden und politischen Entscheidungsträger:innen, den Schutzbedarf der verschiedenen Arten zu bewerten und entsprechende Prioritäten für Erhaltungsmaßnahmen zu setzen. Sie dient auch als Grundlage für die Beobachtung von Veränderungen des Zustands der Arten im Laufe der Zeit, was für die Bewertung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen von entscheidender Bedeutung ist.

Verknüpfung der Roten Liste mit NFDI4Biodiversity: Potenzial und Nutzen

Darüber hinaus kann der Datensatz der Roten Liste mit der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur NFDI4Biodiversity verknüpft werden. Diese zielt darauf ab, eine standardisierte und interoperable Dateninfrastruktur für eine gemeinschaftliche Nutzung von Biodiversitäts- und Umweltdaten aufzubauen und so den Erhalt von Biodiversität zu fördern. Die Verknüpfung der Daten der Roten Liste mit der NFDI4Biodiversity kann ihre Auffindbarkeit, Zugänglichkeit, Nutzbarkeit und Interoperabilität mit anderen Biodiversitätsdatensätzen verbessern und so eine umfassendere und integrierte Forschung zum Schutz von Süßwasserfischen und -neunaugen ermöglichen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rote Liste der Süßwasserfische und -neunaugen in Deutschland ein wichtiges Instrument zur Bewertung des Erhaltungszustands von Fischarten und zur Steuerung von Erhaltungsmaßnahmen ist. Trotz der Herausforderungen bei der Harmonisierung von Daten aus verschiedenen Quellen ist die Rote Liste eine wertvolle Ressource für Forschungs- und Schutzzwecke. Durch die Verknüpfung mit NFDI4Biodiversity kann ihr Potenzial für die Biodiversitätsforschung weiter gesteigert werden. Die Priorisierung der Schutzbedürfnisse von Süßwasserfischen und -neunaugen kann dazu beitragen, die reiche Süßwasser-Biodiversität für zukünftige Generationen zu erhalten.

Für weitere interessante Vorträge und andere Aufzeichnungen lohnt ein Besuch unseres YouTube-Kanals.

Urheber des Titelbilds dieses Artikels, auf dem der Dreistachlige Stichling (Gasterosteus aculeatus) zu sehen ist, ist Heiko Brunken, Vorsitzender der Gesellschaft für Ichthyologie (GfI).

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Marthe I. Eisner

Marthe ist als Kommunikationsmanagerin an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB Göttingen) tätig und unterstützt seit 2020 den Aufbau der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). Als Teil des NFDI4Biodiversity-Konsortiums konzentriert sie sich auf die Verbreitung relevanter Projektinformationen, erarbeitet in einem engagierten Team neue Kommunikationsformate und betreibt Öffentlichkeitsarbeit. Privat teilt Marthe ihr Leben mit zwei Kindern und einer Schildkröte.

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