Bemerkenswerter Datenschatz: 180 Jahre alte Erhebungen für Biodiversitätsforschung mobilisiert
Dank der Zusammenarbeit mehrerer Partner des NFDI4Biodiversity-Netzwerks konnte ein Datensatz mit 5.467 georeferenzierten Tierbeobachtungen aus Bayerischen Forstämtern digitalisiert und für die wissenschaftliche Nutzung aufbereitet werden.
Die Biodiversitätsforschung lebt von Daten, die Entwicklungen über Zeiträume hinweg sichtbar machen. Doch historische Daten zu Artenvorkommen sind rar. Ein einzigartiges Beispiel aus Bayern bietet jedoch einen wertvollen Einblick in die Artenvielfalt des 19. Jahrhunderts: die systematische Erfassung von Tierarten durch bayerische Forstämter im Jahr 1845.
Der Auftrag im Jahre 1845: Erhebung der Artenvielfalt Bayerns
Auf Anweisung des bayerischen Finanzministeriums erhielten die 119 Forstämter Bayerns im Jahr 1845 den Auftrag, die in ihren Forstbezirken vorkommenden Tierarten zu dokumentieren. Grundlage dafür waren standardisierte Erfassungsbögen, auf denen das Vorkommen von 44 Tierarten festgehalten wurde (Abbildung oben rechts). Die Motivation geht aus dem Auftragsschreiben hervor (Abbildung oben links): Es ging darum, die Verbreitung der Tierarten wissenschaftlich zu dokumentieren. Die Erhebung, die auf eine Initiative von Kronprinz Maximilian (1811-1864) – dem späteren König Maximilian II. – zurückgeht, wurde unter der wissenschaftlichen Leitung des Zoologen Johann Andreas Wagner (1797-1861) durchgeführt. Mit der Einbeziehung der Forstämter setzte er auf das Fachwissen der Forstbeamten, die dank ihrer Ausbildung und ihrer Nähe zur Natur als kompetente Beobachter galten.
Die Dokumente wurden zunächst in der Zoologischen Staatssammlung in München aufbewahrt und 2013 an das Bayerische Hauptstaatsarchiv übergeben. Insgesamt umfassen die Akten rund 520 Seiten – ein bemerkenswerter Schatz historischer Biodiversitätsdaten (BayHStA, Zoologische Staatssammlung, 208-217).
Das Ergebnis: ein Datensatz mit mehr als 5000 georeferenzierten Tierbeobachtungen – ein bemerkenswerter Schatz historischer Biodiversitätsdaten
Erstmals wurden diese historischen Aufzeichnungen nun digitalisiert und die von den Forstbeamten erfassten Arten systematisch für Forschungszwecke aufbereitet. Das Ergebnis: ein Datensatz mit 5.467 georeferenzierten Tierbeobachtungen. Diese Daten sind über das Biodiversitätsportal Global Biodiversity Information Facility (GBIF) in den Lebendigen Atlas der Natur Deutschland integriert und stehen Forschenden weltweit zur Verfügung. So ermöglichen sie Trendanalysen über die Entwicklung von Artenvorkommen über fast zwei Jahrhunderte hinweg.
Die Digitalisierung und Aufbereitung der Daten war das Ergebnis einer engen Kooperation zwischen dem Lehrstuhl für Computational Humanities der Universität Passau, der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) sowie dem NFDI4Biodiversity-Konsortium.
Malte Rehbein (Universität Passau) war an der Mobilisierung beteiligt und zu Gast im BiodiversiTea
Vertiefende Informationen zum Thema bot Malte Rehbein von der Universität Passau in seinem Beitrag im NFDI4Biodiversity-Austauschformat BiodiversiTea. Neben der Genese des Datensatzes zeigt er exemplarisch dessen analytische Potenziale auf und schildert, wie in intensiver Zusammenarbeit von Wissenschaftler:innen aus dem Archivwesen, der Geschichtswissenschaft und der Ökologie die Mobilisierung möglich wurde.